Freitag, 15. Mai 2009

Offtopic 3 - Ablauf und Ergebnis der Parlamentswahlen vom 9. April 2009

Wie weiter unten bereits ausgeführt, fanden am 9. April 2009 die Wahlen zum Parlament statt. Hierbei konnte sich letztendlich die Partai Demokrat (PD) des Präsidenten Yudhoyono mit 20,85 % der Stimmen als stärkste Partei durchsetzen. Den Ablauf der Wahl und der anschließenden Auszählung ist mit „suboptimal“ noch freundlich bezeichnet. Bevor ich dies weiter ausführe, zunächst ein paar Erläuterungen zum System in Indonesien.

Das Parlament (Dewan Perwakilan RakyatDPR) besteht aus 560 Abgeordneten, die in allgemeiner und freier Wahl gewählt werden. Aufgabe des Parlaments ist hauptsächlich die Gesetzgebung. Die Wahl einer Regierung obliegt hingegen nicht dem Parlament. In Indonesien gibt es nicht die Aufteilung Regierungschef/Staatsoberhaupt, sondern der Präsident ist gleichzeitig Staatsoberhaupt und Regierungschef und ernennt die Minister. Der Präsident wird in direkter Wahl (zusammen mit dem Vizepräsident) durch das Volk gewählt, die nächste Wahl findet im Juli diesen Jahres statt. Zurzeit gibt es wüste Spekulationen, wer auf welchem Ticket zur Wahl antritt. Hintergrund ist folgender: Kandidaten darf nur diejenige Partei oder Gruppierung aufstellen, die mindestens 25 % der gültigen Stimmen erhalten hat; dies ist als Partei allein noch nicht einmal die PD. Das heißt im Endeffekt, dass die anderen Parteien eine Art „Kandidaten-Ernennungs-Koalition“ bilden müssen und es natürlich faktisch nur 3 Nominierungen geben kann. Im Moment sieht es so aus, dass wohl drei Kandidaten ins Rennen geschickt werden: (1) Präsident Yudhoyono, (2) Vizepräsident Kalla und (3) Ex-Präsidentin Megawati. Realistische Chancen hat zurzeit wohl nur der Präsident, aber bei Wahlen kann alles passieren, daher lassen wir uns einfach überraschen. Am 16. Mai 2009 läuft die Frist zur Benennung der Kandidaten ab, ab diesem Zeitpunkt weiß man also mehr.

Die Besonderheit des indonesischen Systems ist weniger im Wahlvorgang als solchem angelegt, sondern in der Vielfältigkeit der Parteienlandschaft, man könnte es auch Zersplitterung nennen. Bei der diesjährigen Wahl, welche die dritte freie Wahl nach Überwindung des Suharto-Regimes nach 1999 und 2004 war, traten insgesamt 44 Parteien an. Bei dem Quorum von 3 % haben es letztendlich 9 Parteien in das Parlament geschafft. Um es vorweg zu nehmen: entgegen den „Befürchtungen“ in westlichen Medien hat es keinen Zuwachs islamischer Parteien gegeben, diese haben vielmehr einen beträchtlichen Teil ihrer Stimmen verloren. Indonesien ist und bleibt politisch säkular.

Probleme wurden schon während des Wahlvorgangs deutlich, als viele Indonesier mangels Erscheinens auf den Wählerlisten von der Wahl ausgeschlossen wurden. Wie hoch der Anteil der so gezwungenermaßen zum Nicht-Wähler gemachten Indonesier war, ist Gegenstand wilder Spekulationen, im zweistelligen Millionenbereich wird es in jedem Fall gewesen sein. Dieses Desaster beruht auf mehreren Faktoren: Indonesien hat kein Einwohnermeldesystem, so dass eine Registrierung vorgenommen werden musste; dazu ist die zuständige KPU praktisch von Haus zu Haus gezogen und hat mit Hilfe der Anwohner Wählerlisten erstellt. Wer auf einer solchen Liste stand, bekam eine Wahlbenachrichtigung zugeschickt. Es hat sich allerdings schnell herausgestellt, dass einige Indonesier keine Wahlbenachrichtigungen erhalten haben, dafür aber nicht wahlberechtigte Minderjährige und Ausländer auf den Listen standen, darüber hinaus auch längst verstorbene Personen. Insgesamt standen ca. 170.000.000 Wähler auf den Listen, bei insgesamt 240.000.000 Einwohnern. Neben den Registrierungsproblemen gab es auch logistische Probleme, was bei über 500.000 Wahllokalen in über 12.000 Bezirken nicht verwunderlich ist. Da flächendeckend keine aus Deutschland bekannten Infrastrukturen vorliegen, musste de Armee die Wählerlisten zu den Wahlbezirken und Wahllokalen transportieren; dabei wurden einige Listen vertauscht. So waren in einigen Wahllokalen einfach keine oder keine vollständigen Listen verfügbar.

Am Wahltag selbst gab es einige wenige Vorfälle, in denen die Wähler von Soldaten etc. in die Wahlkabinen begleitet worden sind etc., ansonsten waren die Wahlen frei und vor allen Dingen im Verlauf friedlich. Zur Verhinderung von doppelt abgegeben Stimmen wurden die Zeigefinger der Wähler nach dem Wahlvorgang mit einer speziellen Farbe markiert. Dass einige Wahllokale auf den Punkt genau geschlossen haben, obwohl noch eine Schlange von Wählern im und vor den Lokalen stand, ist nicht nur aus unserer Sichtweise undemokratisch, auch hierzulande wurde dies scharf kritisiert.

Probleme bereiteten im Fortgang die Auszählung der Stimmen. Es wurde mit zwei Systemen gearbeitet, einem elektronischen und der Auszählung per Hand; letzteres ist allein verbindlich, von ersterem erhoffte man sich schnelle Ergebnisse. Obwohl bereits am Tag auf die Wahl verkündet wurde, dass die PD mit knapp 20 % der Stimmen ihren Anteil im Gegensatz zu 2004 knapp verdreifacht hat und erstmals die ehemalige Staatspartei Golkar von Platz 1 verdrängt hatte, verlief im Folgenden die Auszählung mehr als schleppend, was u.a. darauf zurückzuführen war, dass die elektronische Auszählung nicht zentra stattfand. Als dann drei Wochen nach der Wahl erst knapp 10 % der Stimmen ausgezählt waren, wurde man zunehmend nervöser, da das offizielle Endergebnis innerhalb von 30 Tagen nach der Wahl bekannt gegeben werden muss. Nach Start der manuellen Auszählung waren erste Zwischenergebnisse vollkommen anders als das zuvor ja schon verkündete vorläufige Ergebnis. Dies hat sich aber im Laufe der Auszählung geändert, so dass das vorläufige Ergebnis größtenteils bestätigt worden ist.

Die 9 Parteien, die es in das DPR geschafft haben, sind:

1. Partai Demokrat 150 Sitze / 20,85 % der gültigen Stimmen
2. Partai Golkar 107 / 14,45 %
3. PDIP 95 / 14,03 %
4. PKS 57 / 7,88 %
5. PAN 43 / 6,01 %
6. PPP 37 / 5,32 %
7. PKB 27 / 4,94 %
8 . Gerindra 26 / 4,46 %
9 . Hanura 18 / 3,77 %

Die Abkürzungen der Parteien sind übrigens praktisch durchgängig Akronyme der ausgeschriebenen Namen.

Insgesamt vereinigen die 9 im Parlament vertretenen Parteien 81,71 % der abgegebenen gültigen Stimmen auf sich (Gesamtergebnis als PDF). Erschreckend ist jedoch, dass von den 121.588.366 abgegebenen Stimmen 17.488.581 (also 14,38 %) ungültig waren. Die „Partei“ der „Ungültig-Wähler“ wäre also knapper 3. bei der Wahl gewesen. Wie viele der knapp 50.000.000 Nichtwähler tatsächlich Nicht-Wähler sind, ist nicht nachvollziehbar, da Tote, Ausländer und Minderjährige erst gar nicht in die Wahllokale gekommen sind...

Im Verlauf der gesamten Wahl und der Auszählung kam es logischerweise zu massiven Inkompetenz-Vorwürfen gegenüber der KPU. Diese wehrt sich gegen die Vorwürfe einerseits mit Wählerbeschimpfung („Zu blöd zum Wählen“, „Kein Interesse der Bürger an der Wahl“) als auch mit dem Hinweis auf den Mangel an Vorbereitungszeit.

Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses am 10. Mai 2009 hat das Verfassungsgericht 72 Stunden Dauerbereitschaft zur Annahme von Einsprüchen gegen die Wahl. Bis auf zwei Parteien haben sämtliche Parteien Einspruch erhoben. Inwieweit sich die Besetzung des Parlaments noch ändert bleibt daher abzuwarten.

Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass Indonesien noch nicht in der Lage ist, deutsche Standards zu erreichen, aber gewillt ist, als junge Demokratie zu lernen. Westliche Arroganz wäre hier meines Erachtens nach unangebracht, da wir in Deutschland zu Zeiten der Weimarer Republik auch nicht gerade besonders hohe Standards geschaffen haben und uns vor allen Dingen im Gegensatz zu den Indonesiern die Demokratie niemals selbst erstritten haben. Bei knapp 18.000 Inseln, von denen ca. 12.000 bewohnt sind, über 5.000 km Breite und einer noch nicht funktionierenden Infrastruktur im ländlichen Bereich ist die Durchführung einer solchen Wahl unglaublich schwierig.

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